Lesbian Bed Death – ein in queeren Kreisen oft diskutierter Begriff – bezieht sich auf das wahrgenommene Phänomen, dass Sexualität und Intimität in langfristigen lesbischen Beziehungen zu versiegen scheinen. Es handelt sich dabei um eine Art mythologisches Ungeheuer, das das sapphische Liebesleben heimsucht und suggeriert, dass mit der Zeit die Leidenschaft schwindet und Lesben dazu verdammt sind, ein Leben ohne Erotik zu führen.

Das erste Mal wurde der Begriff 1987 bei einer Demonstration für die Rechte der Homosexuellen in Washington D.C. öffentlich verwendet, nur vier Jahre nach seiner Einführung durch Philip Blumstein und Pepper Schwartz, einer Soziologin und einem Sozialpsychologen, die nach einer Umfrage, an der 12.000 Personen teilnahmen, zu dem Schluss kamen, dass lesbische Paare nach etwa zwei Jahren in einer langfristigen Beziehung keinen Sex mehr haben. Glücklicherweise stieß ihre Forschungsarbeit auf großen Widerstand bei Akademiker*innen und in der Öffentlichkeit, da es keine stichhaltigen wissenschaftlichen Beweise zur Untermauerung ihrer These gab. Wenn Sie jetzt mit den Augen rollen, sollten Sie wissen, dass Sie nicht allein sind. Tatsache ist, dass die Mehrheit der Paare in der Studie über einen Rückgang der Häufigkeit sexueller Interaktion nach einer gewissen Zeit berichtete, Philip und Pepper jedoch darauf bestanden, diesen Trend als ein ausschließlich lesbisches Problem einzustufen.

Der Begriff geistert nun durch die sapphische Welt, obwohl die Methodik der Studie weitgehend in Frage gestellt worden ist. Als ob das noch nicht genug wäre, hatte das Buch, in dem die Studie veröffentlicht wurde, die Dreistigkeit zu behaupten, dass Lesben im Bett weniger abenteuerlustig und technisch weniger versiert sind. Diese Argumente sind nicht nur lächerlich – Frauen, die sowohl mit Männern als auch mit Frauen Sex haben, würden über ihre Absurdität lachen – sondern auch problematisch.

Die Bezeichnung „Lesbian Bed Death“ offenbart ein größeres Problem, da sie die bestehenden Stigmata, mit denen Lesben im Zusammenhang mit ihrer Sexualität konfrontiert sind, noch verstärkt. Über das Sexualleben von Lesben wird schon so oft von ahnungslosen und taktlosen Heterosexuellen spekuliert, etwa mit Kommentaren wie: “Aber wie habt ihr überhaupt Sex? Hattet ihr schon mal einen guten Schw*nz? Wer ist der Mann in der Beziehung?“ und andere schreckliche Bemerkungen. Die Verbreitung ungenauer Informationen über ihre Intimität schürt nur die Vorstellung, dass Lesben in ihren Beziehungen grundsätzlich etwas fehlt und dass dieses „Etwas“ immer wieder auf „den Penis“ zurückgeführt wird.

Wenn wir uns dem entgegengesetzten Ende der Stereotypen über lesbischen Sex zuwenden, stoßen wir auf die gängigsten Klischees, die sich darauf beziehen, dass Lesben sehr oft Sex haben und dass diese Sessions lange dauern, sowie auf das berüchtigte wissenschaftlich untermauerte Kleinod, das besagt, dass Frauen, die mit Frauen schlafen, die beste Orgasmusqualität in der gesamten weiblichen Bevölkerung haben. Auch wenn einige diesen Aussagen zustimmen mögen, kann die Hervorhebung von lesbischem Sex bei Frauen, die diesen Idealen nicht entsprechen, Scham- und Schuldgefühle verstärken, so dass sie sich fragen, ob in ihrem eigenen Sexleben etwas nicht stimmt. Die Angst, in die Kategorie „LBD“ zu fallen und nicht den positiven Stereotypen zu entsprechen, kann schwer zu tragen sein.

Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht alle Menschen den gleichen Sextrieb haben, dass nicht alle Menschen dem Sex in einer Beziehung Vorrang einräumen und dass Menschen Phasen psychischer Unbeständigkeit durchlaufen, die sich auf die Beziehung zu ihrem Körper und ihr allgemeines Befinden auswirken. Alles Faktoren, die sich auf die Häufigkeit des Sex auswirken. Wenig Sex kann verschiedene Dinge über Menschen aussagen, die nichts damit zu tun haben, wie attraktiv, interessant, kompetent oder gute Partner sie sind.

Abgesehen davon, dass es nicht genügend glaubwürdige qualitative Daten zu diesem Thema gibt, ist es erwähnenswert, dass lesbische Paare oft eine fusionelle Beziehung zueinander entwickeln, in der emotionale Intimität Vorrang vor sexueller Nähe hat. Dies unterstützt das Argument des „Lesbian Bed Death“. Mit der Zeit, wenn die Flitterwochen vorbei sind, ist für viele Langzeitpaare die gemeinsame Zeit im Alltag und die gemeinsame emotionale Resonanz am wichtigsten. Wenn die Zeit vergeht und die Menschen sich in ihrer Beziehung sicherer fühlen, haben sie oft das Gefühl, sich gegenseitig weniger beweisen zu müssen, was wiederum dazu führt, dass sie ehrlicher sind, wenn sie müde sind oder keine Lust zum Sex haben.

Eine meiner sapphischen Freundinnen wies außerdem darauf hin, dass Lesben im Vergleich zu Hetero-Bindungen in der Lage sind, mangelnde Lust mitzuteilen oder jegliche Annäherungsversuche ihrer Partnerin abzulehnen, und sicher sein können, dass ihre Grenzen respektiert werden. Bei den Heterofrauen sieht die Realität etwas anders aus. Viele Frauen fühlen sich unter Druck gesetzt, Sex zu haben, damit ihre Partner sich weiterhin zu ihnen hingezogen fühlen oder weil sie Angst haben, dass er fremdgeht.

Wenn man die Dinge ehrlich betrachtet, kann der „Lesbian Bed Death“ für einige Paare aufgrund der grundlegenden Unterschiede zwischen homosexuellen und heterosexuellen Paarbeziehungen Realität sein. Während Lesben ein Gefühl der seelischen und körperlichen Vertrautheit miteinander teilen, kann sich dies auf die Erotik auswirken, da es der Fantasie wenig Spielraum lässt. Bei heterosexuellen Paaren gibt es einen größeren Raum des Unbekannten, der zwischen zwei Individuen besteht. Frauen sind Rätsel, die Männer unbedingt ergründen wollen, und Frauen versuchen oft, männliches Verhalten zu verstehen, das ihnen seltsam vorkommt. Das Unbekannte beflügelt die Fantasie. Das Versprechen von Neuem weckt das Interesse heterosexueller Paare. Die Statistiken zeigen jedoch, dass auch sie vor dem „Betttod“ nicht bewahrt bleiben.

Wenn ein Rückgang der Sexualität zu Ihrer Realität gehört, sollten Sie wissen, dass dies kein Phänomen ist, das nur lesbische Paare betrifft. Auch die Identifizierung mit dem Begriff „Lesbian Bed Death“ kann Scham- und Versagensgefühle verstärken – beides hilft nicht, die Situation wirksam zu bewältigen. Hilfreich im Umgang mit dem „LBD“-Biest sind eine offene Kommunikation, Zeit für Intimität und das bewusste Experimentieren mit der Partner*in. Letztendlich liegt es in unserer Macht, zu entscheiden, welche Bedeutung wir dem Konzept und den Auswirkungen des Lesbian Bed Death beimessen. Sexlose Phasen sind für alle natürlich, vor allem, wenn man sich langfristig an eine Person gebunden hat.

Illustration: Ernesto Testi

Artikel aus dem Englischen übersetzt