Ist die Aufnahme von Inhalten zu LGBT-Themen in die Lehrpläne von Schulen für Minderjährige auszuschließen?
Die Aufnahme von Inhalten zu LGBT-Themen in die Lehrpläne der Schulen ist mittlerweile in europäischen und nationalen Gesetzestexten sowie in Aktionsplänen der Regierungen verankert. In Luxemburg beispielsweise ist das Nationale Programm – Förderung der affektiven und sexuellen Gesundheit (Programme national – Promotion de la Santé Affective et Sexuelle, kurz NAP – SAS) Teil dieses Rahmens. Dieser mehrjährige nationale Aktionsplan, der auf den bis 2018 verlängerten Plan für 2013-2016 folgt, wurde von den folgenden Ministerien ausgearbeitet: dem Ministerium für Bildung, Kinder und Jugend, dem Ministerium für Chancengleichheit, dem Ministerium für Familie, Integration und Großregion sowie dem Gesundheitsministerium.
Darüber hinaus wird nach der Verabschiedung des fünften Berichts der ECRI (Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz) der seit dem Schuljahr 2016-2017 eingeführte Kurs mit dem Titel „Leben und Gesellschaft“, der sich mit den Menschenrechten befasst, als gute Praxis im Kampf gegen Diskriminierung angesehen. Luxemburg wird daher vom Europarat ermutigt, diese Bemühungen fortzusetzen.
Hat jede Familie das Recht, diese Themen gemäß ihren eigenen Überzeugungen und Grundsätzen zu behandeln?
Obwohl der Unterricht in sensiblen Themen manchmal mit den Werten der Familie kollidieren kann, ermöglicht er den Kindern auch, ein breiteres Verständnis für verschiedene Perspektiven und Werte zu entwickeln. Dies kann ihnen helfen, besser zwischen ihren eigenen Überzeugungen und denen, denen sie in der Schule begegnen, zu navigieren und so eine Autonomie, die ihre eigenen Werte respektiert, während sie gleichzeitig offen für Vielfalt sind, zu fördern. Die Aufklärung über Themen wie Sexualität, Rassismus und andere soziale Fragen trägt zur Entwicklung des kritischen Denkens bei Kindern bei. Indem Schulen diese Themen auf sachliche und reflektierte Weise behandeln, helfen sie den Schüler*innen, Informationen zu analysieren und zu bewerten, Vorurteile zu hinterfragen und informierte Meinungen zu entwickeln, was ihre intellektuelle Autonomie stärkt.
Die Erziehung zu sozialen und kulturellen Themen steht auch im Zusammenhang mit der Achtung der Grundrechte und -bedürfnisse des Kindes. Gemäß der UN-Konvention über die Rechte des Kindes haben Kinder das Recht, über Angelegenheiten informiert zu werden, die für ihre Entwicklung und ihr Wohlergehen wichtig sind. Dazu gehört auch das Recht auf eine Bildung, die es ihnen ermöglicht, die komplexen Zusammenhänge der Gesellschaft zu verstehen und sich darin zurechtzufinden, unabhängig von familiären Einflüssen.
Auszüge aus der UN- Kinderrechtskonvention :
Artikel 12
- “ Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.”
Artikel 29
“Die Vertragsstaaten stimmen darin überein, dass die Bildung des Kindes darauf gerichtet sein muss,
a) die Persönlichkeit, die Begabung und die geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Kindes voll zur Entfaltung zu bringen;
b) dem Kind Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten und den in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Grundsätzen zu vermitteln;
c) dem Kind Achtung vor seinen Eltern, seiner kulturellen Identität, seiner Sprache und seinen kulturellen Werten, den nationalen Werten des Landes, in dem es lebt, und gegebenenfalls des Landes, aus dem es stammt, sowie vor anderen Kulturen als der eigenen zu vermitteln;
d) das Kind auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geist der Verständigung, des Friedens, der Toleranz, der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Freundschaft zwischen allen Völkern und ethnischen, nationalen und religiösen Gruppen sowie zu Ureinwohnern vorzubereiten.”
Die Auswirkungen dieser Themen auf die psychische Entwicklung von Minderjährigen.
Die Vermittlung von Themen wie Rassismus und Sexualität kann die Resilienz von Kindern stärken, indem sie die Mittel gibt, um die sozialen Herausforderungen, denen sie begegnen können, zu verstehen und zu bewältigen. Dies trägt zu ihrer Autonomie bei, indem es sie in die Lage versetzt, unabhängiger im Umgang mit Situationen, in denen sie mit diskriminierenden oder stigmatisierenden Einstellungen konfrontiert werden können, zu agieren.
Alles in allem trägt der Unterricht in diesen Themenbereichen zur Entwicklung der Autonomie der Kinder bei, indem er ihnen das Wissen, die Fähigkeiten und die Perspektiven, die sie benötigen, um eine vielfältige Welt zu verstehen und sich in ihr zurechtzufinden, vermittelt. Dies ermöglicht ihnen, kritisches Denken zu entwickeln, ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken und die Menschenrechte zu achten, während sie ihre eigenen Weltanschauungen bilden. Dieser Prozess kann jedoch manchmal zu Spannungen mit den familiären Werten führen und erfordert ein empfindliches Gleichgewicht zwischen der Achtung der familiären Überzeugungen und der Förderung einer inklusiven und respektvollen Bildung.
In Bezug auf das Alter und die psychologische Entwicklung von Minderjährigen :
Manchmal wird argumentiert, dass die Einführung dieser Themen in einem frühen Alter die psychopädagogische Entwicklung der Kinder stören könnte. Die entwicklungspsychologische Forschung zeigt jedoch, dass der frühe Kontakt mit Vielfalt das Verständnis, das Einfühlungsvermögen und die Akzeptanz von Unterschieden fördert. Durch die Aufnahme von LGBT-Themen in den Lehrplan lernen Kinder, die Vielfalt der sexuellen Identitäten und Orientierungen zu erkennen und zu respektieren, wodurch Vorurteile abgebaut und eine integrativere Gesellschaft gefördert wird.
Kinder entwickeln bereits im Alter von 3 bis 5 Jahren Geschlechterstereotypen, und diese können durch eine inklusive Bildung abgebaut werden. Schulprogramme, die LGBT-Themen beinhalten, können dazu beitragen, diese Stereotypen zu dekonstruieren, was eine gesündere und ausgewogenere psychologische Entwicklung fördert. Studien zeigen, dass die Einbeziehung von Inhalten zu LGBT-Themen in den Unterricht dazu beiträgt, die Raten von Mobbing, Depressionen und Selbstmordgedanken bei Jugendlichen zu senken, insbesondere bei solchen, die aus einer Rainbow Family stammen, sich als LGBT identifizieren oder nicht den traditionellen Geschlechternormen entsprechen.
Indem Schulen diese Themen angemessen und altersgerecht behandeln, schaffen sie ein sichereres und freundlicheres Umfeld für alle und kommen damit der psychischen Gesundheit wie auch der psychisch-emotionalen Entwicklung der Kinder entgegen.
Schlussfolgerung :
Es ist entscheidend, dass die Aufklärung über diese Themen dem Alter und dem Reifegrad der Schüler*innen angepasst wird.
Die Lehrpläne für die Sexualerziehung werden entsprechend dem Entwicklungsstand des Kindes konzipiert und aufgebaut und durch eine Reihe von Grundkenntnissen markiert. Die gegenwärtig in Europa existierenden Programme vermischen das biologische, das psycho-emotionale und das rechtliche und soziale Feld. „Die Sexualität ist zusammen mit der großen Vielfalt an sinnlichen und intellektuellen Erfahrungen, Freuden und Wünschen, die mit ihr verbunden sind, Teil der menschlichen Suche nach einem erfüllten Leben. Die Schule muss sich vor autoritären oder dogmatischen Eingriffen in den Aufbau des Gefühls- und Beziehungslebens hüten“. Externe Akteure müssen zugelassen werden. „Diese Interventionen werden systematisch antizipiert und koordiniert; sie erfolgen immer in Anwesenheit eines oder mehrerer verantwortlicher Lehrer*innen“. Es wird vor einer Instrumentalisierung aus militanten oder ideologischen Gründen gewarnt. Es wird auch empfohlen, die Hauptberater für Erziehung und Bildung, Gesundheitsfachleute und Psycholog*innen einzubeziehen.
Die Progressivität der Bildung im Bereich des affektiven Lebens und die notwendige Anpassung an das Alter der Schüler*innen bilden den zentralen Knotenpunkt bei der Ausarbeitung dieser Lehrpläne. Die Prävention sexistischer oder sexueller Gewalt sowie die Sensibilität für Formen der Belästigung oder des Machtmissbrauchs werden ebenfalls thematisiert.
ANHANG
Im Folgenden werden kurz die Inhalte aufgeführt, die in verschiedenen europäischen Ländern je nach Alter des Kindes potenziell behandelt werden.
In der ersten Stufe steht die Entdeckung des Körpers und der Emotionen im Vordergrund. Die Schüler*innen werden aufgefordert, „die körperlichen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen zu erkennen und zu benennen; die intimen Körperteile zu identifizieren, z. B. anhand der ‚Puppenecke‘, und sie zu benennen, wobei sie von spontanen Bezeichnungen ausgehen und zu einem gelehrteren Wortschatz übergehen“.
Ein Workshop zur reflexiven Sprache wird empfohlen. „Wer darf welchen Körperteil berühren oder nicht berühren? Wer darf oder soll mich nackt sehen?“. Die Stadien der Schwangerschaft, die Emotionen, die bei einem Konflikt oder bei einer Übung zur Gefahrenabwehr empfunden werden, sind ebenfalls Aspekte, die angesprochen werden. Die Kinder werden auch dazu angeleitet, zwischen guten und schlechten Geheimnissen zu unterscheiden und Erwachsene, denen sie vertrauen, zu alarmieren. Ein besonderes Augenmerk wird auf das Erkennen von gefährdeten Kindern und den Kinderschutz im Allgemeinen gelegt. In der ersten Stufe streben die Lehrkräfte eine gemischte und offene Nutzung aller Spielecken an. Es wird empfohlen, über die Umkehrung von Figuren aus stereotypen Alben nachzudenken, die mit den von den Kindern geäußerten Normen in Verbindung stehen. Die Identifizierung der verschiedenen Formen des familiären Rahmens soll es jedem ermöglichen, seine eigene Familiengeschichte zu verstehen.
In den Stufen 2 und 3 will der Lehrplan den Schüler*innen genauere wissenschaftliche Kenntnisse vermitteln. Das Recht, sich selbst zu sein, ohne dafür angegriffen oder stigmatisiert zu werden, und die Rolle sozialer Vorbilder sind wichtige Themen.
In der vierten Jahrgangsstufe hebt der Lehrplanentwurf die mit der Pubertät verbundenen Veränderungen des Körpers hervor, insbesondere die Menstruation. Außerdem wird empfohlen, die Vielfalt der Darstellungen des geschlechtsspezifischen Körpers anhand von künstlerischen (Malerei, Skulptur usw.) oder literarischen (alten oder zeitgenössischen) Werken zu beobachten und zu analysieren.
Um Diskriminierung vorzubeugen, müssen Normen und Stereotypen hinterfragt werden, und es muss begriffen werden, dass Gleichberechtigung nicht bedeutet, dass es keine Unterschiede gibt. Die Klassen werden aufgefordert, die Stellung von Männern und Frauen innerhalb der Familie zu definieren. Die Mobilisierung von Rollenspielen in Verbindung mit sexistischen oder gewalttätigen Situationen online (die von den Schüler*innen gelesen oder gespielt werden) zielt darauf ab, diese Begriffe in Verbindung mit dem Recht auf das eigene Bild und dem Schutz der Person besser zu verstehen.
Sexualität wird als eine komplexe Realität betrachtet, die das Physische und das Psychische, das Persönliche und das Zwischenmenschliche umfasst, aber auch als ein einzigartiger persönlicher Weg und das Verständnis ihrer vielfältigen Ausdrucksformen.
In der Sekundarstufe konzentriert sich der Lehrplan darauf, die Spannungen zwischen dem Intimen und dem Sozialen zu erforschen, und lädt dazu ein, Verhaltensweisen, Versuchungen, Freuden und Risiken zu betrachten. Ziel ist es, die Schüler*innen schrittweise in die Lage zu versetzen, ihre Sexualität als verantwortungsbewusste junge Erwachsene, die ihre eigene Freiheit und die der anderen respektieren, zu leben. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist für die Umsetzung des Lehrplans unerlässlich. Die Autor*innen der verschiedenen Lehrpläne raten auch dazu, die Aktualität eines lebhaften Themas nicht allein auf zeitgenössische Bezüge oder Beispiele zu beschränken. Es wird empfohlen, auch ältere Werke aus allen Kulturen zu studieren.
Diese Petition trägt aufgrund ihrer Ignoranz und Verleugnung der Komplexität des menschlichen Zusammenlebens zur Unsichtbarmachung der von diesen Themen betroffenen Menschen und damit zu einer Überexposition gegenüber strukturellen Gewalt- und Ausgrenzungsphänomenen bei. So tun, als ob ein Teil der Gesellschaft nicht existiert, und LGBT Themen aus den Schulen verbannen, kann dazu führen, dass Kinder übermäßig Mobbing, Gewalt und Problemen mit dem Selbstwertgefühl ausgesetzt sind, die eine strukturierende Dimension der psychischen Gesundheit darstellen und damit ihre Grundrechte verletzen.
Illustration: Isabel Spigarelli/Canva
Artikel aus dem Französischen übersetzt