Die Pride 2024. Sie war großartig und fröhlich wie jedes Jahr. Dieses Jahr war jedoch etwas Besonderes: Sie feierte ihr 25-jähriges Jubiläum. Doch während der Feierlichkeiten kamen mir Zweifel: Ist die Pride vielleicht schon älter?

Am Stand des Laboratoire d’Etudes Queer, sur le Genre et les Féminismes (Laboratorium für queere, Gender- und Feminismusstudien, kurz LEQGF), der sich in der Nähe des Rathauses in Esch-sur-Alzette befand, war ein Schild mit allen Daten der wichtigsten Ereignisse der letzten 25 Jahre zu sehen. Ganz rechts stand ein kleiner Hinweis: „Années 80ées, Le Tralala“ (80er Jahre, das Tralala), ohne nähere Angaben. Gab es einen Vorläufer der Pride? Aber was war dieses Tralala überhaupt? Ich beschloss, der Sache nachzugehen. 

Ich kontaktierte einen langjährigen Freund, meinen Friseur Jean-Pascal Lasserre, der das Tralala einmal beiläufig erwähnt hatte. „ Aber das ist schon sehr lange her. Das war in den frühen 80er Jahren. Lass mich nachdenken und machen wir einen Termin aus“.

Vor unserem Termin schickte er mir eine SMS mit einem genaueren Datum: der 15. Juli 1985, und empfahl mir, nach einem Artikel im Tageblatt aus dieser Zeit zu suchen. Das war schwieriger als erwartet, da noch nicht alle Ausgaben aus den 80er Jahren auf der Website der Nationalbibliothek digitalisiert sind. Ich musste mich also selbst dorthin begeben. Das ist übrigens eine Erfahrung, die ich jedem empfehlen kann, und sei es nur, um das neue Bibliotheksgebäude auf dem Kirchberg zu bewundern. Es ist wunderschön!

Am Tag unseres Gesprächs hatte ich mehrere Fragen, die ich stellen wollte.

Joël: Hallo Jean-Pascal. Erzähl mir, wie es war, als du das erste Mal nach Luxemburg gekommen bist.

J.-P.: Ich war Anfang der 80er Jahre in Metz stationiert. Es war eine Garnisonsstadt und es gab nichts für Schwule. Alle sagten mir, ich solle nach Luxemburg in die Bar du Petit Fada in der Rue de Hollerich gehen. Eines Tages ging ich mit einem kleinen Straßenplan dorthin und fand sie auch, aber nicht die Bar. Ich bin die ganze Straße von oben bis unten durchgegangen, aber es gab nichts. Irgendwann blickte ich auf und sah das Schild „Au Petit Fada“ direkt über mir. Ich stand davor, aber ich hatte es nicht bemerkt! Ich hatte mir eine unauffällige Tür mit einer Klingel erwartet, wie bei Schwulenbars in Frankreich. Aber hier stand die Tür weit offen und alle Schwulen tranken ihr Bier in der Sonne auf dem Bürgersteig. Ich war wie betäubt! Das war selbst in Paris oder einer anderen großen Stadt in Frankreich unvorstellbar, da es dort gesetzlich verboten war. So lernte ich Luxemburg kennen, ein Land, das zu dieser Zeit viel aufgeschlossener war.

Der Besitzer des Petit Fada hieß Robbi Gillen. Er veranstaltete mit seiner Truppe, der Fada’s Family, regelmäßig Transvestitenvorstellungen. Er war es, der das Tralala ins Leben gerufen hat.

Joël: Ich war etwas überrascht, als ich den Zeitungsartikel fand, weil das Tralala darin nicht erwähnt wird.

J.-P.: Ja, das liegt vielleicht daran, dass wir jedes Jahr ein anderes Thema hatten. Im Jahr 1985 waren es Kabaretts wie das Alcazar und das Moulin Rouge in Paris. In einem anderen Jahr, ich erinnere mich, war es Dynasty, die berühmte amerikanische Fernsehserie mit Joan Collins und Linda Evans. Das hatte nichts mit Transvestie im eigentlichen Sinne zu tun, es ging vor allem darum, sich zu verkleiden. Jeder konnte mitmachen, nicht nur schwule Männer.

Joel: Wie lief das ab?

J.-P: Es war einmal im Jahr, im Juni oder Juli, und wir haben insgesamt drei oder vier gemacht, glaube ich. Ich erinnere mich besonders an den von 1985, weil kurz davor Großherzogin Charlotte gestorben war und am selben Wochenende beerdigt werden sollte. Aber ihre Beerdigung fand am Samstag statt und wir feierten am Sonntag, also war das kein Problem. Wir trafen uns in der Bar du Petit Fada oder im Stadtzentrum und schlenderten dann durch die Straßen rund um die Place d’Armes. Und glaub mir, wir blieben nicht unbemerkt! Robbi hatte einen großen Tisch auf der Terrasse des Café de Paris reserviert, und nach unserem Spaziergang aßen wir gemeinsam zu Abend.

Joël: Es war also nicht nur ein Mittel, um für die Auftritte der Fada’s Family zu werben?

J.-P.: Ja, das auch, denn alle Mitglieder der Fada’s Family waren anwesend. Aber es war nicht nur Werbung. Wir wollten uns bemerkbar machen. „Wir sind hier, wir existieren, wir tun niemandem weh und wir haben Spaß.“ Man könnte sagen, es war eine frühe Pride im Miniformat.

Joël: Heute, im Zeitalter des Internets, kann man sich jederzeit alles besorgen, wie hast du das in den 80er Jahren gemacht? Wenn ich mir die Fotos ansehe, die du mir mitgebracht hast, war es sehr spektakulär, all die Kostüme, Pailletten, Federn, Schminke und Perücken. So etwas gab es in Luxemburg nicht. Wo hattest du das alles her?

J.-P.: Für die Kostüme gab es keine 36 Lösungen: Jeder hatte eine kleine Nähmaschine zu Hause und wir haben sie selbst genäht. Für Schuhe gingen wir zu Chaussures André in der Stadt, die manchmal Modelle in großen Größen hatten. Ansonsten ging man nach Brüssel oder Paris in Spezialgeschäfte. Aber das kostete ein Vermögen. Meistens bissen wir auf die Zähne und zwängten unsere Füße in die zu kleinen Schuhe. Für Make-up und Perücken gab es in Brüssel einen legendären Laden, den Hairclub, wo man alles bekam, was man für die Show brauchte.

Ich erinnere mich auch an einen Tralala-Tag in Brüssel. Wir waren dort alle zu einer Parade aufgebrochen, ein kleiner Skandal auf unsere Art! Wir gingen sogar über die Grand-Place mit ihrem Kopfsteinpflaster. Ich schwöre, mit Stilettos über das Kopfsteinpflaster zu laufen, war alles andere als einfach. Einige Hochsteckfrisuren sind unterwegs sogar zusammengebrochen…

Joël: Danke, Jean-Pascal, für diese kleine Reise in die Vergangenheit und für die vielen Fotos.J.-P.: Danke, dass du mir all diese schönen Erlebnisse wieder in Erinnerung gerufen hast.

Foto: Jean-Pascal Lasserre

Artikel aus dem Französischen übersetzt