Artistische Kollaborationen in der Luxemburgischen LGBTI+ Gemeinschaft
Ein Podcast moderiert von Isabel Spigarelli; Produziert von Woxx in Kollaboration mit queer.lu.
Lesen Sie hier das Gesprächs zwischen Sängerin Karma Catena, C’est Karma, und Illustrator*in Charlotte Muniken. Den ganzen Podcast können Sie via woxx.lu; queer.lu und radioara.org finden.
Isabel für Woxx und queer.lu: Heute sprechen wir über eure Zusammenarbeit für queer.lu. Für die erste Ausgabe habt ihr in Zusammenarbeit eine Doppelseite illustriert. Du, Charlotte, hast dich an Karma’s Lied “Gateaux” inspiriert und hast eine Illustration kreiert, die verschiedene Thematiken im Song widerspiegelt – wie zum Beispiel, die Klimakrise. Aber euch beide verbindet nicht nur eure Kunst, sondern auch eure queeren Identitäten. Deshalb reden wir heute auch über queeren Kulturaustausch in Luxemburg. Gibt es so einen und, wenn ja, wie sieht dieser aus?
Aber bevor wir auf diese Fragen eingehen, fangen wir mit einer Runde Stichworten an. Charlotte und Karma, welche Stichworte wollt ihr beide zu dieser Thematik diskutieren?
Charlotte: Meine Stichworte sind Zine, Print und queere Gemeinschaft.
Karma: Meine sind Zuhause, Familie und Tanz.
Isabel: Ganz interessante und unterschiedliche Vorgehensweisen von euch beiden! Ich bin schon gespannt zu hören, was sich hinter diesen Wörtern versteckt. Ich würde sagen, wir fangen mit Zine und Print an.
Charlotte: Zines sind kleine, eigenständige Publikationen, oft in Form von kleinen Büchern oder Magazinen. Diese sind oft selbst gedruckt, selbst veröffentlicht und werden auch auf eine unabhängige Art und Weise mit dem Publikum geteilt. Dies ist eine Kunstgemeinschaft, in der ich sehr aktiv bin und die meiner Meinung nach auch eine Anlaufstelle für queere Menschen ist. Zines und unabhängiger Print sind Medien, die einer Person viel Freiheit und Autonomie geben. Deshalb sind diese oft für queere Menschen und auch Menschen aus anderen marginalisierten Gruppen sehr anziehend, da man sich einfach frei und unabhängig seinem Umfeld mitteilen kann.
Isabel: Findest du, dass in diesem Kontext dann mehr Kulturaustausch zwischen queeren Menschen stattfindet als in anderen Situationen, in denen du als Illustrator*in aktiv warst?
Charlotte: Definitiv! Dieses Medium erlaubt mir, Dinge ohne Einschränkungen mitzuteilen – ob das jetzt aktivistische Informationen, Kunst oder persönliche Eindrücke sind. Dies ermöglicht es auch, über neue Perspektiven zu lesen und einen Austausch zu schaffen, den man in anderen Umfeldern vielleicht eher nicht hat. Für mich ist meine Zine Gemeinschaft, ein Hotspot für queeren Austausch.
Karma: Es ist witzig, dass wir gerade über Zines sprechen. Vor etwas über einem Jahr habe ich meine EP veröffentlicht und ich wollte keine physische Kopie herausbringen, da keiner mehr CDs hört. Da habe ich mich entschieden, statt der physischen Kopie ein Zine herauszubringen! Und diese Idee ist aus einem ähnlichen Gedanken entstanden, weil ich auch die Zine Gemeinschaft schon immer cool gefunden habe, auch da Zines eine reiche queere und Punk Geschichte haben. Ich hatte nicht direkt weiter über diese Entscheidung, ein Zine zu erstellen, nachgedacht, aber da gibt es einen klaren Zusammenhang zu dem, was du gerade alles gesagt hast!
Charlotte: Ich habe deine Zines gesehen und ich fand diese auch mega cool! Es fließt halt auch etwas dieser anarchistischen Gedanken mit ein, wenn man etwas mitteilen will durch Zines. Auch weil es meistens kleine Auflagen sind. Dann wird es schon beinahe zu einem Sammelobjekt.
Karma: Ich hatte auch mit einer Grafikperson und einer Illustrationsperson zusammengearbeitet und dadurch hat sich meine Arbeit mit deren Kunst vermischt. Der ganze Entstehungsprozess war ganz kollaborativ.
Charlotte: Ich wurde letztens angesprochen, um auch bei einem Zine mitzumachen. Es war sehr spontan und es kamen so viele Künster*innen zusammen aus verschiedenen Kontexten, um an diesem Zine zusammenzuarbeiten. Es werden dadurch Kollaborationen geschaffen, die ganz frei und, für mich, viel spannender als andere Formen der Kollaboration sind.
Isabel: Ist eure Zusammenarbeit für queer.lu damit auch eine logische Konklusion von dem was ihr gerade gesagt habt – oder ist dies jetzt trotzdem was anderes, weil es sich um ein richtiges Magazine handelt, mit mehr als nur künsterlichem Inhalt?
Charlotte: Für mich ist es quasi das gleiche. Das kommt davon, dass Luxemburg so klein ist. Das ist ein Vorteil, weil jeder jeden kennt.
Karma: Ich würde eher sagen, dass der journalistische Aspekt dem Zine-Geist etwas widerspricht, weil es etwas Institutionelles hat – ohne dies wertend zu meinen.
Isabel: Wir haben jetzt über queeren Austausch gesprochen und da gehört Inspiration auch dazu. Charlotte, du hast die Illustration zu einem Lied von Karma kreiert. Warum hast du dieses Lied ausgesucht?
Charlotte: Ich habe mir Karma’s Lieder angehört und bin da bei ihrer neusten EP stecken geblieben, weil diese viele Remixe von Karma’s früheren Liedern hat. Ich habe mir dann die initiale Version von “Gateaux” aus dem Jahr 2020 angehört. Was mich ziemlich inspiriert hat, ist Karma’s Art und Weise, ihre schöne und klare Stimme mit dem düsteren Text zu verbinden. In meiner eigenen Kunst finde ich auch diese Spannung zwischen schönen Aspekten und düsteren Aspekten ganz interessant – um das jetzt ganz vereinfacht auszudrücken. “Gateaux” habe ich mir dann herausgesucht, weil es diese Idee hat von einem Kuchen, einem Nachtisch, etwas Süßem, etwas was man genießt. Dies steht dann als Metapher für die Klimakrise, die in dem Lied angesprochen wird. Dieser Gegensatz hat mich für meine Illustration inspiriert – ein schöner Kuchen, der dann aber auch irgendwie eklig ist. Im Englischen gibt es dieses Sprichwort “Have your cake and eat it too”. Es geht um diesen Gedanken, wie wir und auch ältere Generationen diese Klimakrise kreiert und die Zukunft der nächsten Generationen verkackt haben. Deshalb habe ich diese kitschigen Elemente mit Ekligen vermischt.
Karma: Charlotte und ich haben auch miteinander gesprochen, aber da hatte Charlotte schon erste Skizzen angefertigt. Ohne dass ich eigentlich viel erklären musste, hattest du verstanden, um was es geht. Ich spiele oft und gerne mit solchen Gegensätzen und bedenke gerne, wo Dinge auf einem Spektrum zwischen zwei Extremen stattfinden. Da machte es mein Künstlerherz froh zu hören, dass andere verstehen, was ich versuche zu machen. Vor allem, weil viele sagen, dass kein Mensch versteht, was ich sagen will.
Charlotte: Mir hat es geholfen, dass wir darüber gesprochen hatten. Ich bin nicht so gut darin, alle tieferen Metaphern zu erkennen. Als du mir sagtest, dass die ganze EP über die Klimakrise geht, ist bei mir ein Licht aufgegangen. Es macht so viel Sinn und hat so viel Interesse und Inspiration in mir erweckt. Danke für dieses Lied!
Karma: Danke dir für die Illustration und fürs Verstehen!
Isabel: Wir haben ja eigentlich auch in Betracht gezogen, diese Podcast-Episode “Klimakrise” zu nennen, weil eure Zusammenarbeit ja nicht primär um eine queere Thematik handelt. Trotzdem würde mich interessieren, wo Queerness eine Rolle in dieser Kollaboration gespielt hat – abgesehen davon, dass die Zusammenarbeit in einem queeren Magazine gezeigt wird?
Karma: Ich identifiziere mich als queere Person und dies ist ein großer Teil davon, wer ich bin. Da ich viel von mir selbst in meine Kunst stecke, ist Queerness nicht ein Thema, das ich immer konkret anspreche, aber es schwingt immer mit. Auch da ich von vielen queeren Freund*innen umgeben bin, um zusammenzuarbeiten, und viele queere Personen im Team habe. Dieser Aspekt von queerer Kunstschaffung ist also immer irgendwie präsent.
Charlotte: Für mich ist das ziemlich ähnlich. Queerness ist einfach Teil meiner Identität. Es ist auch Bestandteil vieler Songs und Kunstwerke, die ich konsumiere. So fließt es auch immer wieder in meine Kunst rein, wenn auch nicht als Hauptthema. Vielleicht spiegelt sich dies dann eher in Elementen, die andere queere Personen unterschwellig wiedererkennen würden, wieder.
Karma: Für mich ist dies auch oft ein Spiel mit Symbolen oder Kontext-Clues, die in der Gemeinschaft vielleicht wiedererkannt werden. Ich habe jetzt nicht so viel Interesse alle meine Lieder über ein queeres Paar zu schreiben, aber ich bin daran interessiert, mich auf einer politischen Ebene klar zu positionieren.
Charlotte: Ich sehe die Klimakrise auch als Teil davon. In der queeren Gemeinschaft gibt es viele Überschneidungen [mit anderen Gemeinschaften]. Politik wird nicht immer direkt angesprochen, aber es ist immer präsent. Die Klimakrise und Klima-Aktivismus sind existenzielle Thematiken, die in diesen Überschneidungen existieren.
Karma: Diese Präsenz von Politik bemerkt man besonders in Krisensituationen, egal ob es um den Ukraine-Krieg, den Nahostkonflikt oder die Klimakrise geht. Da queere Personen am Rand leben, sind wir oft die Personen, die am härtesten getroffen werden. Ich denke da zum Beispiel an Trans* Personen, die am Anfang des Ukraine-Krieges keinen Zugang zu Hormonen hatten. Vor allem in Künstler*innenkreisen hat sich durch den gemeinsamen Nenner der queeren Identität eine gewisse Solidarität geformt, um sich gegenseitig zu helfen. Ich kenne ein paar Musiker*innen, die mit anderen queeren Musiker*innen aus Krisensituationen zusammengearbeitet haben. Dies spiegelt sich dann halt auch im Kontext der Klimakrise wider.
Charlotte: Solidarität ist da ein gutes Stichwort. Ich nehme mich als extremst privilegierte Person wahr, weshalb es mir umso wichtiger ist, diese Solidarität zu zeigen. Auch bezüglich der Klimakrise sind wir in einer extrem privilegierten Position, da wir nicht so betroffen sein werden, wenn es hart auf hart kommt.
Isabel: Ich würde beim Wort Solidarität auch gerne an deine Stichwörter anknüpfen, Karma, nämlich Familie. Ich weiß natürlich noch nicht, wie du dieses Stichwort genau gemeint hast, aber es erinnert mich an diese Idee der queer family. Vielleicht ist es aber auch was ganz anderes! Willst du uns etwas mehr darüber erzählen?
Karma: Dieses Stichwort kam mir spontan in den Sinn. Vor allem im Hinblick auf kulturelle oder künstlerische Zusammenarbeit zwischen queeren Personen und auch im allgemeinen in der queeren Gemeinschaft habe ich sofort an dieses Thema von Familie oder Zuhause denken müssen. Zwischen den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite, bildet sich schnell ein ganz familiäres Verhältnis, auch weil ich im Ausland wohne. Ich habe auch Freund*innen, die sich zu Hause nicht so wohl fühlen und die dann Netzwerke suchen, die Familien-ähnlich strukturiert sind. Da wir alle dann auch Künstler*innen sind, kommt es dann auch zu einem künstlerischen Austausch, abgesehen von dem familiären Aspekt.
Familie und Zuhause sind Stichworte, die Hand in Hand gehen. Ich meine, sich wohlfühlen ist ein großer Teil von sich zuhause fühlen. Wenn eine queer Gemeinschaft, oder eine queere Familie oder eine Ersatzfamilie einer Person dieses Wohlbefindungsgefühl gibt, dann kann sich das schnell nach Zuhause anfühlen.
Isabel: Dann hast du, Karma, auch noch Tanz genannt. Dies kann ich noch in keine Verbindung zu unserer bisherigen Diskussion setzen, aber vielleicht kannst du uns dieses Stichwort auch noch etwas erklären?
Karma: Ich kann es auch nicht unbedingt in Verbindung zu unserer bisherigen Diskussion setzen [lacht]. Ich kann aber erklären, warum ich anfangs auch dieses Stichwort genannt habe. Ich mache ja Musik und Tanz und Musik sind nicht voneinander trennbar. Da ich jetzt auch nicht mehr in Luxemburg, sondern in Amsterdam lebe, finde ich, dass die queere Gemeinschaft sich viel durch Clubben und Tanzen zusammenfindet. Daher ist dieser Gedanke gekommen, dass der Club ein Meeting Point für viele ist. Ich spreche da nicht unbedingt von exklusiv queeren Clubs, sondern einfach Clubs, die Subkulturen und Subgenre unterstützen, die queere Menschen auf ganz einfache Art und Weise zusammenbringen.
Isabel: Ich finde es interessant, dass du diese Räumlichkeiten, in denen dieser Austausch stattfinden kann, auch ansprichst. Wir haben als Thema Kulturaustausch im Sinne von Kunstschaffung, aber dieser Kulturaustausch kann sich natürlich auch darauf beziehen, in Räumlichkeiten zusammenzukommen und sich gegenseitig zu inspirieren. Gibt es da noch andere Räume, wo ihr euch als queere Person wohlfühlt, um eure Kunst zu zeigen, aber auch einfach als private Person, um gleichgesinnte Personen kennenzulernen?
Charlotte: Ich teile diese Gefühle von Zuhause und Familie, wie Karma sie beschrieben hat, da ich auch nicht mehr in Luxemburg, sondern in Rotterdam lebe. Viele meiner Freund*innen wohnen auch weit weg von ihren leiblichen Familien. Man schafft dann halt irgendwie neue Familien. Wenn Karma von Clubs und Tanzen spricht, dann weiß ich genau was sie meint. Ich kann mich nur nicht damit identifizieren, da ich eine Person bin, die gerne zuhause ist. Ich habe aber auch meine Stammcafés, die auch eher eine queere Klientel haben. Aber viele meiner Safe Spaces sind online. Es ist so einfach wie noch nie, diesen Austausch auch international zu haben, auch um seine Kunst zu teilen, um Neues zu entdecken und um sich weiterzubilden.
Karma: Vor allem für unsere Generation finde ich das einen ganz wichtigen Punkt. Ich glaube, wir sind ungefähr gleichaltrig, unter 30. Für unsere Generation ist das Internet einfach ein ganz wichtiger Raum, der viel zu oft verteufelt wird. Ich denke da an viele junge Personen, die über Online Spiele ihre Freud*innen finden und über Discord ihre Gemeinschaft aufbauen. Das ist halt ein ganz wichtiges Thema für uns, aber auch für noch jüngere queere Personen. Es ist halt vollkommen legitim, dass das auch ein Raum ist, um seine eigene Gemeinschaft aufzubauen.
Isabel: Zum Abschluss würdet ihr beide mir gerne noch sagen, ob ihr queere Vorbilder im Kulturbereich habt – Ikonen oder auch ganz persönliche Ikonen, die euch besonders inspiriert haben?
Karma: Ich kann musikalisch SOPHIE nennen. Sie ist eine Produzentin, die leider vor zwei Jahren verstorben ist. Sie hatte einen wichtigen Impakt auf die Popmusik der letzten zehn Jahre. Sie hat es hinbekommen, sich in Räumen als Transfrau durchzusetzen, die normalerweise nicht für Transfrauen zugänglich waren. Die Produzentin meines neuesten Projektes wäre eine Person aus meinem persönlichen Umfeld. Sie ist einfach eine mega talentierte Künstlerin und ich bewundere sie sehr dafür.
Charlotte: Mir fällt jetzt nicht direkt ein*e Künstler*in ein. Ich denke für mich kommt viel von meinen Freund*innen. 99% von meinen Freund*innen sind auch queer und wir sind alle so unterschiedlich und aktiv in verschiedensten Bereichen. Sie inspirieren mich alle und ich mag sie alle!
Karma: Das ist bei mir auch der Fall! Es ist einfach ein ganz bereicherndes Umfeld, in welchem man sich von so vielen verschiedenen Leuten inspirieren kann. Ich habe auch Freund*innen, die extremst aktivistisch sind, aber dann finde ich es genauso bewundernswert wenn queere Leute den Mut haben, sich in Räumen auszudrücken, die normalerweise nicht für ihre Queerfreundlichkeit bekannt sind.
Charlotte: Viele meiner Freund*innen sind auch in verschiedenen Umfeldern aktiv. In diesen Räumen ist ‘queer sein’ auch nicht immer unbedingt ein Thema, aber halt der Fakt, dass sie queer sind und alle ihre Leidenschaften haben und mitteilen, das ist inspirierend für mich.
Isabel: Mit Liebe für Freund*innen unseren Podcast zu beenden ist auch nicht unpassend. Ich sage euch beiden ein großes Dankeschön für das tolle Gespräch!