Jetzt, wo der Herbst und damit die „Gruselsaison“ vor der Tür steht, sollten wir uns alle einen Moment Zeit nehmen, um uns an eine der grundlegenden Tatsachen des Horrorgenres zu erinnern: Vampire sind queer.
Beginnend mit The Vampyre von John William Polidori (1819) haben Vampire in der modernen Literatur oft eine sehr sexuelle Dimension und dienen als Verkörperung von Ängsten, die mit Sexualität zu tun haben – und dazu gehört auch das Queer-Sein. Diese Verbindung besteht bis zum heutigen Tag. Es ist kein Wunder, dass zwei der beliebsten queeren Serien der letzten Jahre, What We Do In The Shadows (2019 -) und Interview With The Vampire (2022 -), sich beide um Vampire drehen, auch wenn sie stilistisch sehr unterschiedlich sind.
Aber lasst uns über Lesben sprechen.
Lesbische Vampire sind fast so alt wie das Vampirgenre selbst und haben sich längst zu einem eigenen Subgenre entwickelt. Es gibt viele lesbische Vampirgeschichten, und es werden bis heute immer noch neue geschrieben. Aber wenn man ihre Ursprünge wirklich verstehen will, dann lassen sie sich auf zwei Frauen zurückführen: Die historische Person Ecsedi Báthori Erzsébet (anglisierte Form: Elizabeth Báthory) und die fiktive Figur der Carmilla Karnstein.
Báthori Erzsébet (*1560 – ✝1614) war eine ungarische Gräfin und angebliche Serienmörderin, wobei es umstritten ist, wie viel davon wirklich geschah und wie viel davon Verleumdungspropaganda gegen eine politisch mächtige Frau ist. Immerhin hatte sie von ihrem Mann ein großes Territorium geerbt, und ihre Ankläger hätten viel davon gehabt, sie loszuwerden. Außerdem handelt es sich bei den ihr vorgeworfenen Verbrechen um die Art Gerüchte, die im Mittelalter, wenn man jemanden wirklich in Misskredit bringen wollte, verbreitet wurden. Die Geschichte, wie sie bekannt wurde, wurde erst ein Jahrhundert nach ihrem Tod aufgeschrieben. Den überlieferten Quellen aus ihrem Leben zufolge war sie eine ganz normale, gutherzige Frau.
Der Legende nach hatte Báthori Erzsébet so große Angst vor dem Altern, dass sie sogar alle Spiegel in ihrem Haus zerstören ließ, um ihr Spiegelbild nicht altern zu sehen. Als sie eines Tages ein Dienstmädchen schlug, fiel ein Tropfen des Blutes des Mädchens auf ihre Hand, und die Haut dort sah jünger und glatter aus. Dies inspirierte sie dazu, Bäder im Blut junger Frauen zu nehmen – zunächst von Bauernmädchen aus der Umgebung, später von Mädchen, die sie unter dem Deckmantel einer Schule auf ihr Schloss gelockt hatte. Sie soll auch von deren Blut getrunken und eine Geliebte als Komplizin gehabt haben. Angeblich tötete sie über sechshundert junge Frauen und verscharrte sie auf ihrem Anwesen.
Báthori Erzsébet wurde nie formell vor Gericht gestellt, obwohl der König persönlich darum gebeten hatte. Nach ihrer Verhaftung im Jahr 1610 verbrachte sie die restlichen Jahre ihres Lebens hinter Gittern.
Unabhängig von der historischen Wahrheit hinter der Legende ist die Geschichte einer blutbadenden lesbischen Serienmörderin sehr fesselnd und hat im Laufe der Jahre viele Nacherzählungen inspiriert. Die Verbindung zum modernen Vampirmythos wurde erst in den 1970er Jahren wirklich hergestellt, hat sich aber seither verfestigt.
Ein weiteres wichtiges Vorbild für die lesbischen Vampire ist Joseph Sheridan Le Fanus gotischer Horrorroman Carmilla (1872). Er erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, Laura, das mit ihrem Vater und einigen Bediensteten in einem abgelegenen Schloss lebt. Eines Tages verunglückt eine junge Frau namens Carmilla mit ihrer Postkutsche vor ihrem Haus, und Lauras Vater nimmt sie bei sich auf, während sie sich erholt. Laura und Carmilla kommen sich schnell näher, aber gleichzeitig fühlt sich Laura immer schwächer und schwächer. Das Grauen in der Geschichte ist zweigeteilt: Zum einen ist da die mysteriöse Krankheit, die Laura langsam umbringt, zum anderen sind da die unübersehbaren lesbischen Untertöne. Damals war das eine sehr beängstigende Sache.
Meiner Erfahrung nach ist Carmilla eines der Bücher, die viel über ihre Leserschaft verraten. Wenn eine Frau dir sagt, dass sie Carmilla mochte, dann ist diese Frau ziemlich sicher 1) ein großer Nerd, der zum Spaß Gothic Horror des 19. Jahrhunderts liest, und 2) nicht heterosexuell. Es scheint auch eine gewisse Tendenz unter Lesben zu geben, diese Geschichte als eine sehr tragische Romanze zu lesen und nicht als den Horror, der sie eigentlich sein sollte.
Wie bei Báthori Erzsébet war es das Kino, das Carmilla unsterblich machte, und das ständige Bedürfnis der Filme, etwas Neues auf die Leinwand zu bringen und gleichzeitig eine erkennbare Marke zu erhalten.
Die erste lesbische Vampirin auf der Leinwand war Gräfin Marya Zaleska in Dracula’s Daughter (1936). Die Geschichte hat nicht wirklich viel mit Dracula zu tun, sondern scheint stattdessen lose auf Carmilla zu basieren. Seitdem hat es mehrere mehr oder weniger direkte Verfilmungen des Buches gegeben, darunter Blood and Roses (1960), Terror in the Crypt (1964) und The Vampire Lovers (1970), um nur einige zu nennen. Was Báthori Erzsébet betrifft, so diente sie eindeutig als Inspiration für die Gräfin Wandesa in La Noche de Walpurgis (1971), einem Film, der als Auslöser für den spanischen Horrorfilm-Boom der 1970er Jahre gilt.
Zu dieser Zeit hatten sich lesbische Vampirfilme zu einem kompletten Genre, das oft mit der sexuellen Verlockung von Lesben spielte, insbesondere für das heterosexuelle männliche Publikum, entwickelt. Als jedoch immer mehr queere Menschen in die Unterhaltungsindustrie eintraten und die Zensur nachließ, drehten sich diese Geschichten immer mehr um und für Frauen.
Moderne lesbische Vampire sind in einer größeren Vielfalt von Geschichten zu finden. Sie sind nicht mehr nur Monster, die sich an unschuldige junge Frauen heranmachen, sondern komplexere Charaktere, und die Beziehungen selbst sind jetzt eindeutig als romantisch zu verstehen.
Wir alle erinnern uns natürlich an die kurzlebige Netflix-Serie First Kill (2022), in der es um eine Teenager-Romanze zwischen einem Vampir und einer Vampirjägerin ging. Noch weniger von uns haben den Anime Vampire in the Garden (2022) gesehen, in dem eine Vampirkönigin und eine menschliche Teenager-Soldatin vor dem Krieg zwischen Vampiren und Menschen fliehen und nach einem Ort suchen, an dem sie in Frieden leben können. Dann gibt es da noch den neuesten Film, Carmilla (2019), der leider im Chaos um die Pandemie unterging und deshalb fast völlig unbeachtet blieb.
Was Indie-Produktionen angeht, so ist es ein noch tieferes „Rabbit Hole“. Die bekannteste ist sicherlich die Carmilla-Webserie, die von 2014 bis 2016 auf YouTube lief und 2017 sogar verfilmt wurde (The Carmilla Movie). Aber, nur als Beispiel, am Tag bevor ich diesen Artikel schrieb, stieß ich auf YouTube auf einen 50-minütigen Spielfilm namens Lesbian Vampires from Outer Space, der Anfang dieses Jahres veröffentlicht wurde. Leider ist der Titel irreführend, denn er enthält eigentlich keine Elemente aus dem Weltraum, aber ansonsten ist es ein ganz netter Indie-Film über ein lesbisches Vampirpaar, das vor der Polizei flieht, nachdem es ein paar Leute getötet hat.
Die lesbischen Vampire sind heute quicklebendig, und es gibt noch viele Geschichten über sie zu erzählen. Wenn du in diesem Herbst auf der Suche nach queerem Horror bist, dann empfehle ich dir, einen Blick auf das Angebot, das es gibt, zu werfen. Viele der von mir erwähnten Filme sind auf YouTube zu finden, und natürlich ist der Originalroman Carmilla über das Project Gutenberg erhältlich. Oder in der CIGALE-Bibliothek, wenn du physische Bücher bevorzugst.
Happy Halloween!
*Anmerkung: Ich habe gar nicht erst versucht, über Bücher, Comics und Podcasts zu sprechen. Wenn das dein Medium ist, wirst du auch dort garantiert viele gute Werke finden. Auch Castlevania und Castlevania: Nocturne habe ich nicht erwähnt, weil sie mir persönlich nicht so gut gefallen haben. Es handelt sich jedoch um bemerkenswerte aktuelle Serien, die meiner Meinung nach irgendwo erwähnt werden müssen.
Artikel aus dem Englischen übersetzt