Cosima von Bonin: Songs for Gay Dogs, 11.10.2024 — 02.03.2025, Mudam Luxembourg
Photo: Mareike Tocha © Mudam Luxembourg

In Songs for Gay Dogs lädt Cosima von Bonin im Mudam Luxembourg – Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean die Besucher:innen in eine Welt der Widersprüche, des Humors und der gedämpften, aber präsenten Kritik ein. Es ist eine lebendige, weitläufige Ausstellung voller Meereskreaturen aus Stoff, überdimensionaler Möbel und bekannter Cartoonfiguren. Doch unter der verspielten Oberfläche verbirgt sich eine tiefere Erkundung von gesellschaftlichen Normen, Identität und Konsumkultur.

Von Bonins Werke leben von der Zweideutigkeit. Ihre Kreationen – sei es eine Jakobsmuschel, die aus einer Samtschale lugt, ein Hai, der eine Dose Katzenfutter umkreist, oder Daffy Duck, der als messianische Figur dargestellt wird – reizen den*die Betrachter:in mit Schichten potenzieller Bedeutung. Sie fordern uns auf, alles zu überdenken, was wir für selbstverständlich halten, von kulturellen Symbolen bis hin zu unseren eigenen Routinen. Wie die Künstlerin es ausdrückt: „Alles ist gestohlen“, ein Gefühl, das ihren Prozess des Ausleihens, Umgestaltens und Neuinterpretierens von Elementen der Popkultur zu etwas ganz Eigenem zusammenfasst.

Der Titel Songs for Gay Dogs ist ebenso faszinierend wie die Ausstellung selbst. Eine kurze Suche ergibt, dass es sich um eine Anspielung auf das gleichnamige Musikalbum von Paddy Roberts handelt. Das ist aber auch schon alles. Es gibt keine Hunde, weder schwule noch andere, aber die Ausstellung ist voll von eklektischen Figuren, darunter Daffy Duck, Bambi und eine Reihe von anthropomorphen Meerestieren.

Diese Figuren, die oft ruhend oder scheinbar mitten in der Aktion gefangen sind, verwischen die Grenze zwischen Leben und Kunst. Von Bonin verwendet sie, um das widerzuspiegeln, was sie als „systemische Müdigkeit“ beschreibt, ein Gefühl der Erschöpfung als Reaktion auf den gesellschaftlichen Druck, immer produktiv zu sein.

Interessanterweise ist das explizit queere Symbol in der Ausstellung eine Axt mit Regenbogengriff, die hoch an einer Galeriewand platziert ist, weit außerhalb der Reichweite des Betrachters – was die gleichen Widersprüche und spielerischen Subversionen, die von Bonins Arbeit ausmachen, hervorhebt.

Ein herausragendes Merkmal der Ausstellung ist die ortsspezifische Installation in der großen Halle. Massive Tische dominieren den Raum und verwandeln ihn in einen surrealen Spielplatz.

Auf diesen überdimensionalen Strukturen sitzen wiederum textile Kreaturen – Wale, Muscheln und Fische -, mit komplexen Details. Durch die Vergrößerung alltäglicher Objekte und ihre Platzierung in unerwarteten Kontexten verändert von Bonin unsere Wahrnehmung der Architektur des Museums, der räumlichen Proportionen und unserer Beziehung zu den Objekten selbst. Die Besucher:innen werden in eine kindliche Perspektive, die sie an eine Zeit erinnert, in der die Welt unvorstellbar groß und voller Wunder zu sein schien,hineingezogen.

Von Bonins Verwendung von Stoffen ist von zentraler Bedeutung für ihre Arbeit. Während dieses Material oft häusliche und weibliche Assoziationen weckt, unterläuft sie diese Erwartungen mit kühnen, unkonventionellen Designs. In Open Your Shirt Please 3 (2019) zum Beispiel zeigt ein schwarzes Stoffpanel Daffy Duck, der gegen eine eindringende Dunkelheit, die ihn zu verschlingen scheint, kämpft. Die Bilder sind sowohl humorvoll als auch beunruhigend und spiegeln Themen wie Erschöpfung und Widerstand wider. Durch solche Arbeiten verwandelt von Bonin alltägliche Materialien in Werkzeuge, die Macht und Kontrolle in Frage stellen, und verbindet Popkultur mit existenzieller Schwere.

In den einzelnen Räumen der Galerie spielt von Bonin mit den Themen Hierarchie und Leistung. Eine Installation zeigt einen Rat von Stofffischen und Haien um eine rauchige Dose Katzenfutter mit der Aufschrift « Authority Purée ». Es ist ein Bild, das sich einer einfachen Interpretation entzieht. Inszenieren diese Kreaturen eine Rebellion, nehmen sie an einem Ritual teil oder haben sie einfach nur Spaß? Die Mehrdeutigkeit ist gewollt und soll den Betrachter dazu anregen, seine eigenen Bedeutungen in dem Werk zu finden.

Daffy Duck, eine der am häufigsten wiederkehrenden Figuren der Ausstellung, wird auf überraschende Weise neu interpretiert. In Church of Daffy (2023) wird er als lebensgroße, statuenähnliche Figur dargestellt – ein fehlerhafter, aber seltsam liebenswerter Anführer. Daffy, der für seine Gier, seine Neurosen und sein unerbittliches Streben nach Ruhm bekannt ist, wird zu einem Spiegelbild menschlicher Schwächen und gleichzeitig zu einem Beispiel für seine Widerstandsfähigkeit.

Diese Mischung aus Humor und Kritik zieht sich durch alle Arbeiten von Bonins. Ihre Kunst umarmt Widersprüche: Sie ist weich und hart, lustig und dunkel, vertraut und fremd.

Sie lädt zum Lachen, aber auch zur Selbstbeobachtung ein. Durch die Verwendung überdimensionaler Objekte, Cartoon-Figuren und kühner Stoffkreationen verwandelt von Bonin das Museum in einen Karneval der Ideen – einen Raum, in dem die Grenzen von Kunst, Popkultur und Leben ineinander übergehen.

Eine weitere Ebene der Ausstellung ist die Begleitpublikation mit dem Titel Songs for Gay Dogs. Sie ist mehr als ein Katalog, vielmehr ein Künstlerbuch, das mit Essays, experimentellen Texten und Archivbildern gefüllt ist. Es befasst sich mit von Bonins Themen, von ihrer Faszination für das Karnevaleske bis hin zu ihrer spielerischen Kritik an der Konsumkultur. Das Buch fängt den Geist der Ausstellung ein und bietet den Lesenden ein tieferes Verständnis für den einzigartigen Ansatz der Künstlerin.

In seinem Kern feiert Songs for Gay Dogs das Chaos und die Kreativität. Von Bonins Werke ermutigen uns, das Absurde anzunehmen, das Vertraute zu hinterfragen und die Rollen, die wir in unserem eigenen Leben spielen, zu überdenken. Ihre verspielte und doch zutiefst nachdenkliche Welt erinnert uns daran, dass Kunst keine Antworten geben muss – sie kann uns einfach dazu bringen, die Dinge anders zu sehen. Ob durch einen Wal aus Stoff, eine müde Cartoon-Ente oder eine rauchige Dose Katzenfutter, von Bonins Kunst spricht die Komplexität und den Humor des Menschseins an, ungeachtet der Unterschiede zwischen uns.