Dies ist der erste Vox-Pop von queer.lu. Als Community-Magazin wollen wir queeren Menschen im Großherzogtum eine Plattform geben und ihnen Gehör verschaffen. Behaltet also unsere Website (queer.lu) im Auge, wenn ihr euch engagieren und eureStimme in einer unserer nächsten Ausgaben zu Gehör bringen möchtet.

Kurz nach den letzten Nationalwahlen in Luxemburg hat queer.lu verschiedene Organisationen kontaktiert, um zu erfahren, was sie über LGBTIQ+ Rechte in Luxemburg zu sagen haben. Wir haben jeder Organisation zwei Fragen gestellt, auf die sie reagieren sollte: die Herausforderungen, mit denen LGBTIQ+ Menschen in Luxemburg konfrontiert sind, und die Frage, wie diese am besten angegangen werden können.

1) Was sind die dringendsten Herausforderungen, mit denen LGBTIQ+ Menschen in Luxemburg derzeit konfrontiert sind?

Richtung22: „In Luxemburg kämpft die LGBTIQ+-Community mit einem Paradoxon aus Sichtbarkeit, ja sogar Überpräsenz und Unsichtbarkeit. Obwohl das Großherzogtum viele LGBTIQ+-Organisationen beheimatet, frühere schwule Minister und sogar einen Premierminister hatte, fällt es dem durchschnittlichen queeren Individuum schwer, sich jenseits der vorherrschenden Stereotypen authentisch mit seiner Community zu verbinden. Die Tendenz, sich prominente queere Persönlichkeiten oder Themen für bloße Fototermine anzueignen oder auszunutzen, anstatt sie als wahre Repräsentanten der vielfältigen und sich überschneidenden Identitäten der Gemeinschaft anzuerkennen, verstärkt dieses Problem noch. Häufig erliegen gesellschaftspolitische Diskussionen der Dominanz stereotyper Erzählungen und überschatten die echten Anliegen und Kämpfe, die Aufmerksamkeit und Verständnis erfordern.

Die Auferlegung von Stereotypen bei der Definition von Queerness grenzt oft diejenigen aus, die diesen vorgefassten Vorstellungen nicht entsprechen. Junge queere Menschen, die diesen Stereotypen ausgesetzt sind, können sich mit dem Konzept der Queerness nicht identifizieren, was zu Gefühlen der Verlassenheit, Verwirrung oder Isolation führt. Der Umgang mit Queerness bedeutet, dass ALLE LGBTIQ+-Erfahrungen und -Kämpfe anerkannt und gewürdigt werden, nicht nur die der wenigen Privilegierten. Sichtbarkeit ist nur die halbe Miete und trägt nur wenig dazu bei, das Verständnis und die volle Akzeptanz der vielfältigen und reichhaltigen queeren Erfahrungen zu fördern.“

CID | Fraen an Gender: Eine der politischen Forderungen des CID ist die Ersetzung des Vaterschaftsurlaubs durch einen inklusiven Geburtsurlaub, unabhängig vom Geschlecht der Eltern.

Uni.lu LGBT+ Studierendenvereinigung: „Während die LGBTQIA+-Community in Luxemburg noch viele Herausforderungen und Kämpfe vor sich hat, möchte die LGBT+-Studierendenvereinigung diese Gelegenheit nutzen, um auf die Probleme im Bildungsbereich hinzuweisen. Zwei Hauptprobleme bleiben bestehen: 1) die unzureichende Einbeziehung von LGBTQIA+ Themen in den Lehrplan durch Schul- und Universitätsverwaltungen und Lehrender; 2) die unzureichende Unterstützung für queere Menschen in den Bildungseinrichtungen. Obwohl es die Aufgabe der Bildungssysteme ist, die junge Generation auf die Zukunft vorzubereiten, scheinen diese Institutionen in einem veralteten cis-hetero-Paradigma gefangen zu sein und zeigen erheblichen Widerstand, die notwendigen Veränderungen zur Unterstützung queerer Jugendlicher umzusetzen.
Die Universität Luxemburg hinkt inbesondere bei der Unterstützung von transgender Studierenden und Mitarbeiter:innen hinter anderen Universitäten in der Nähe hinterher.“

Rosa Lëtzebuerg: „Nach der Einführung der Ehegleichheit, der Adoptionsreform und den administrativen Vereinfachungen bei der Änderung von Geschlechtsmarkern in den Personenstandsregistern, stagniert die rechtliche Gleichstellung von LGBTIQ+ Personen in Luxemburg. Viele dringende Anliegen der queeren Community, wie die automatische Anerkennung der Elternschaft für gleichgeschlechtliche Paare oder das seit langem geforderte Verbot medizinisch unnötiger Operationen an intergeschlechtlichen Kindern ohne deren informierte Zustimmung, stehen noch aus. Mit der am 1. Juli 2023 in Kraft getretenen Verfassung hat jeder Mensch auch das verfassungsmäßige Recht, eine Familie zu gründen. Die Regierung ist nun verpflichtet, alle Bürger:innen bei der Wahrnehmung dieses Grundrechts zu unterstützen.“

2) Wie könnte diese Herausforderung oder dieser Kampf gelöst werden?

Richtung22: „Queere Jugendliche müssen über die Geschichte ihrer Gemeinschaft und die Komplexität ihrer Identität aufgeklärt werden, um Verständnis und Einigkeit zu fördern. Diese flächendeckende queere Bildung sollte nicht nur für queere Menschen, sondern für alle gelten. Der Abbau sozialer Vorurteile ist ein notwendiger Schritt, um Gemeinschaften zusammenzubringen. Soziale Organisationen spielen in diesem Sinne eine zentrale Rolle, da sie sich zu inklusiven und lehrreichen Veranstaltungen verpflichten, die sich auf den Aufbau von Gemeinschaften und Bildung konzentrieren. Es ist von größter Bedeutung, dass die Menschen mit queeren Personen in Kontakt treten und von ihnen lernen, um den Dialog und das Verständnis zu fördern. Der Zugang zu queeren Veranstaltungen und Räumen ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung, um die LGBTIQ+-Community in die Gesellschaft zu integrieren.

Queere Räume müssen in erster Linie den Bedürfnissen queerer Menschen gerecht werden. Sichtbarkeit wird in Luxemburg jedoch erst durch die Begegnung mit queerer Kunst, queeren Geschichten, Gesichtern und Leben erreicht werden. Organisationen sollten Räume schaffen, die nicht nur den Zugang zu queerer Kultur ermöglichen, sondern auch queere Räume und Leben schützen.“

CID | Fraen an Gender: Die Gruppe lesbischer Mütter von CIGALE hat die folgenden Forderungen aufgestellt:

  • Automatische Anerkennung von lesbischen Müttern ab der Geburt ihres Kindes
  • Gegenseitige Anerkennung der Elternschaft lesbischer Mütter zwischen den EU-Mitgliedstaaten
  • Gegenseitige Anerkennung des Elternschaftsrechts lesbischer Mütter zwischen souveränen Staaten
  • Transparente und zugängliche Informationen über den Prozess der medizinisch unterstützten Fortpflanzung
  • Transparente und zugängliche Informationen für lesbische Mütter über den Zugang zum Recht auf Elternschaft

Uni.lu LGBT+ Studierendenvereinigung: „Wir wünschen uns die Einrichtung eines Fachbereichs für Queer- und Gender-Studies an der Universität, der es Luxemburg ermöglicht, nicht nur Forschung zu betreiben, sondern auch entsprechende Kurse für Studierende und insbesondere für künftige Erzieher:innen anzubieten. Darüber hinaus hat die Vereinigung die Universität aufgefordert, eine bevorzugte Namensoption zur Unterstützung von Trans-Personen einzuführen. Die Universität hat zwar zugesagt, dies im Juli 2021 einzuführen, aber bis heute warten wir auf eine effektive und barrierefreie Umsetzung für alle Studierenden und Mitarbeiter:innen. Der Vorzugsname ist an den meisten Universitäten gängige Praxis, aber für die uni.lu ist es etwas, das „technisch schwer umzusetzen“ ist. Sowohl die Vorzugsnamenoptionen als auch die Option eines dritten Geschlechts sind Beispiele für einfache Praktiken, die in allen Bildungseinrichtungen leicht umgesetzt werden könnten und das Leben von trans- und nicht-binären Studierenden erheblich verbessern würden.“

Rosa Lëtzebuerg: „Was die automatische Anerkennung der Elternschaft für gleichgeschlechtliche Paare betrifft, ist den politischen Entscheidungsträger:innen seit langem bewusst, dass die Ehe- und Adoptionsreform von 2014 eine rechtliche Lücke für Regenbogenfamilien hinterlässt. Seit August 2017 gibt es den Gesetzesentwurf 6568A, der queeren Eltern helfen soll. Hier brauchen wir mehr Tempo! Auch das Grundrecht auf Familiengründung muss gewährleistet werden. Die Regierung muss erkennen, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, da z.B. männliche Paare ihr Grundrecht auf Familiengründung derzeit nicht wahrnehmen können.
Das dringendere Thema des Verbots von Operationen an intergeschlechtlichen Kindern ist dagegen nicht so weit gediehen. Hier fordern wir, dass das Justiz- und das Gesundheitsministerium dieser Angelegenheit Vorrang einräumen.
Grundsätzlich fordert Rosa Lëtzebuerg, wie in ihren Forderungen vor der Wahl dargelegt, eine stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft in den Gesetzgebungsprozess. Dazu gehört auch, dass bei allen Gesetzesvorhaben, die die Lebenswirklichkeit von queeren Menschen betreffen, Expert:innen von LGBTIQ+-Organisationen wie Rosa Lëtzebuerg zu Rate gezogen werden.“