Queere Menschen in Luxemburg und im Rest der Welt sind aktuell nicht in der besten Position. Nicht nur dass in keinem Land der Welt alle grundlegenden Menschenrechte auch für queere Personen gelten – vielerorts werden noch neue Errungenschaften wieder in Frage gestellt oder wieder abgebaut. Das nicht nur in den USA unter der Trump-Regierung, sondern auch in Ungarn, Bulgarien und im Vereinigten Königreich – und es gibt keine Garantie, dass diese queerfeindliche Welle vor Luxemburg halt machen sollte.

Letzten Sommer erlebten wir, wie schnell unsere gesamte Existenz als Gefahr geframed werden kann, und wie viele Menschen eine Petition unterschreiben, die uns komplett aus allen Unterrichtsmaterialien verbannen wollte. Ein Glück, dass diese Hass-Petition nicht aus einem sonderlich organisierten politischen Milieu stammte, schlecht formuliert war und der Petitionär bei der Debatte im Parlament keine sonderlich gute Figur abgab. Wie hätte das wohl ausgesehen, wenn zum Beispiel eine Partei richtig Kampagne gemacht hätte?

Zumindest hat die Defensive gut funktioniert: Pressemitteilungen, persönliche Statements auf social media, Editorials von Journalist*innen, Protestaktionen und vieles mehr haben der Öffentlichkeit gezeigt, dass wir uns das nicht bieten lassen, dass wir für unsere Rechte kämpfen – und hat im Endeffekt sicherlich auch dafür gesorgt, dass über 10.000 Menschen die „Gegenpetition“ unterschrieben haben. Das ist sicherlich ein Erfolg und ein gutes Beispiel dafür, wie die Verteidigung queerer Rechte funktioniert. Doch eigentlich sollten wir in die Offensive, und hier gibt es gerade in Luxemburg noch viel Luft nach oben. So erreichte eine europäische Bürger*inneninitative, die ein Verbot von Konversions„therapien“ fordert, in Luxemburg lediglich 2.236 Unterschriften. Keine Sorge, die Petition hat – vor allem durch den Einsatz unserer französischen Genoss*innen in allerletzter Minute – die benötigte Million Unterschriften erreicht.

Für jene, die glauben, wir hätten bereits alles erreicht, empfehle ich einen Blick auf die „Rainbow Map“ der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (Ilga), die einzig und allein das Umsetzen fundamentaler Menschenrechte kontrolliert. Luxemburg ist von einem ehemaligen Spitzenplatz auf Platz Zehn gerutscht. Das nicht, weil hierzulande Rechte abgeschafft worden wären – sondern einfach, weil andere Länder besser geworden sind. Initiativen wie die Förderung eines queeren Kulturzentrums wie dem Rainbow Center werden von der Ilga natürlich nicht beachtet, aber Gesetze, die die Rechte queerer Menschen verbessern, wurden in den letzten Jahren keine verabschiedet. Der Blick ins Ausland zeigt auch, wie schnell ebendiese Rechte wieder abgeschafft oder beschränkt werden können. Eine Zukunft, in der beispielsweise auch die CSV entdeckt, dass es sehr leicht ist, auf dem Rücken von trans Personen populistische Stimmung zu machen, ist auch in Luxemburg nicht sehr weit entfernt.

Ich möchte an dieser Stelle auch betonen, dass es gegenüber Rechtsextremen und Faschist*innen sinnlos ist, die „aber ich bin nicht so wie die“-Karte zu spielen. Einerseits werden Queerfeind*innen immer einen Weg finden, uns als absonderlich und pervers zu brandmarken, andererseits wirft so ein Verhalten auch alle unsere queeren Geschwister, die sich nicht an eine cis-heteronormative Lebensweise anpassen können oder wollen, unter den sprichwörtlichen Bus. Es ist überhaupt kein Zufall, dass die Pseudoargumentation und die Hetze, die heutzutage gegenüber unseren trans Geschwistern zu hören ist, exakt jener entspricht, die vor wenigen Jahrzehnten gegenüber Schwulen und Lesben benutzt wurde. Gemeint sind wir immer alle. Und mit „alle“ meine ich: wirklich alle, ob sie von Ende Mai bis August jedes Wochenende in Fetischkleidung auf einer Pride tanzen oder Teil einer kleinen, „ganz normalen“ Regenbogenfamilie sind. Menschen, die queerfeindliche Politik betreiben, ist komplett egal, wie angepasst (oder nicht) wir sind.

Es bleibt uns nichts anderes übrig, als in die Offensive zu gehen.

Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als in die Offensive zu gehen. Ansonsten müssen wir Angriff um Angriff abwehren und dürfen weiterhin darauf warten, dass endlich alle fundamentalen Menschenrechte, die für cis-hetero Menschen gelten, auch gnädigerweise für uns gelten. Es geht aber nicht nur darum, eine Checkliste an legislativen Maßnahmen abzuhaken, bei diesem Kampf geht es auch darum, zumindest ein Stück kulturelle Hegemonie zu erlangen und die aktuelle Normalität aufzubrechen. „Nett bitten“ haben wir lange genug versucht – und wir können uns einfach nicht mehr darauf verlassen, dass die Mehrheitsgesellschaft uns gnädigerweise jene Rechte gewährt, die uns zustehen. Wir müssen in unseren Forderungen, und vermutlich auch in unseren Protestformen, radikaler werden, also die Probleme an der Wurzel anpacken.

Meiner Meinung nach ist das beste Mittel dafür, aus der Defensive herauszukommen, laut und mutig die eigenen Forderungen nach vorne zu tragen. Welche das sind, wissen wir als Community ohnehin am Besten, und wir sollten uns auch nicht zurückhalten. Eine große Kampagne zur Abschaffung von „Geschlecht“ in offiziellen Dokumenten wäre vermutlich nicht gleich von Erfolg gekrönt, aber es würde die Diskussion von „Oh nein, Drag Queens lesen Märchen vor!“ zu „Wie sinnvoll ist es, Menschen nach Geschlechtern einzuteilen?“ verschieben. Schritt für Schritt lässt sich der Diskurs so verändern.

Um gesellschaftliche Diskussionen anzustoßen und Veränderungen zu bewirken, gibt es viele Möglichkeiten, die aufeinander aufbauen und sich nicht ausschließen. Im Gegenteil: Erfolgreiche Protestbewegungen leben davon, dass unterschiedlichste Formen des Aktivismus ineinandergreifen und parallel durchgeführt werden. Am Anfang steht stets das, was viele von uns seit Jahren (oder Jahrzehnten) tun: Informieren, Aufklären, Reden – immer und immer wieder. Das ist mühsam, aber jedes gute, ehrliche Gespräch, das ihr führt, wird einen Einfluss haben. Das heißt natürlich nicht, dass eins alles hinnehmen oder gar schlucken sollte. Grenzen ziehen ist ebenso wichtig! Wer das direkte Gespräch scheut, kann natürlich auch medial aktiv werden, zum Beispiel einen Artikel oder Leser*innenbrief schreiben, einen Podcast aufnehmen oder auf social media posten. Letzteres wird aber immer schwieriger, weil die großen, kommerziellen Plattformen queere Inhalte zum Teil aktiv unterdrücken und nichts gegen Hassnachrichten unternehmen.

Da ist es vielleicht doch sinnvoller, eine wirklich langweilige, aber effektive Methode auszuprobieren: Emails an Abgeordnete zu schreiben. Wenn nach einer Woche keine Antwort kommt, kann eins auch mal in deren Büro oder Parteizentrale anrufen und (nett) fragen, ob es ihnen nicht wichtig ist, dass die Gesundheitsversorgung von trans Menschen eher mies ist und es immer noch kein Verbot von Operationen an intergeschlechtlichen Kindern gibt. Oder ob sie wirklich warten wollen, bis Konversions„therapien“ in Luxemburg beworben werden, bevor sie sie verbieten wollen. Besonders wirksam ist es, die Abgeordneten in den „richtigen“ Kommissionen und aus dem eigenen Wahlbezirk anzuschreiben.

Es gäbe in Luxemburg zwar theoretisch die Möglichkeit, direkt einen Gesetzesvorschlag, eine sogenannte „Proposition motivée aux fins de légiférer“ (PML) beim Parlament einzureichen. Damit die im Plenum diskutiert(!) wird, müssen 12.500 Wahlberechtigte sie unterzeichnen. Dazu wäre sicherlich eine große Kampagne nötig, ohne dass sicher wäre, dass das Gesetz durchgeht. Einen Text zu schreiben, der „einfach“ zum Beispiel alle fehlenden Forderungen der ILGA in ein Gesetz packt, wäre aber vielleicht gar nicht die schlechteste Idee, um eine Diskussion darüber ins Rollen zu bringen, dass LGBTIQA-Menschen in Luxemburg noch immer essentielle Menschenrechte verwehrt werden. Eine breit angelegte Kampagne, getragen von einer queeren NGO, die ihre Kontakte zum Rest der Zivilgesellschaft spielen lässt, könnte aber Erfolg haben – und mit der ersten PML Geschichte schreiben.

Wir sollten dem Regenbogenkapitalismus den Rücken drehen.

2015 gab es in Irland ein Referendum über die Frage, ob gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt werden sollten. Da zur Klärung dieser Frage eine Verfassungsänderung nötig war, musste ein Referendum abgehalten werden. LGBTIQA-Aktivist*innen mussten demnach eine Kampagne durchführen, die mit Erfolg (62 Prozent Ja-Stimmen) gekrönt wurde. Könntet ihr euch vorstellen, von Tür zu Tür zu gehen und Leute zu bitten, euch doch bitte die gleichen Rechte zu gewähren? So schlecht die Idee auch ist, eine Mehrheit über die Rechte einer Minderheit abstimmen zu lassen, so positiv ist es, dass es irischen Queers vor zehn Jahren gelungen ist, die gleichgeschlechtliche Ehe durchzusetzen.

Nicht zu vernachlässigen ist auch Protest auf der Straße. Einerseits sollten Prides wieder viel politischer werden – jetzt, da sich viele zurückziehen, um der Trump-Regierung zu gefallen, zeigt sich auch, dass die vielen großen Firmen uns ohnehin nur deswegen „unterstützt“ haben, weil sie uns als potenzielle Kund*innen gewinnen wollten. Wir sollten dem Regenbogenkapitalismus also den Rücken drehen – oder zumindest keine Rücksicht auf die Sponsor*innen nehmen. Wenn sie unsere Botschaften nicht unterstützen wollen, brauchen wir sie auch nicht. Aber auch außerhalb der Sommermonaten lassen sich Demonstrationen organisieren. Auch andere, kreativere Protestformen wie „Die-Ins“ oder Protestchöre können für Aufmerksamkeit sorgen. Symbolische Besetzungen, wie sie etwa die Organisation „trans kids deserve better“ im Vereinigten Königreich durchgeführt hat, bringen viel mediale Aufmerksamkeit und können helfen, den Diskurs in die richtige Richtung zu verschieben.

Egal, welche Aktionsformen benutzt werden, wäre es immer sehr wichtig, Bündnisse zu suchen – historisch gab es immer wieder Verbindungen zwischen der Arbeiter*innenbewegungen bzw. Gewerkschaften und queeren Menschen. Wenn in Luxemburg die Gewerkschaften für ein gerechtes Pensionssystem demonstrieren, sollten LGBTIQA-Menschen – die ja häufig von Altersarmut betroffen sind – nicht fehlen. Genauso sollten wir stärker auf Mehrfachdiskriminierungen achten und Tendenzen wie Rassismus und Ableismus bekämpfen – innerhalb unserer Community und außerhalb. Solidarität kann sehr mächtig sein, und gemeinsam lassen sich Kämpfe leichter gewinnen.

Welche Form der politischen Aktivismus annimmt, ist im Endeffekt (fast) egal und auch eine persönliche Präferenz. Wichtig ist vor allem, laut, hoffnungsvoll und selbstbewusst zu sein. Wir sollten uns nicht nur wehren, sondern Respekt (nicht „nur“ Toleranz!) und unsere Menschenrechte einfordern.